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Frühjahrslohnrunde 2018
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Peter Scherrer Peter Scherrer kommt aus der IG-Metall und war hier für Europäische Industriepolitik zuständig. Seit Oktober 2015 ist der 55-jährige Vize-Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB).

"In Europa haben wir das Gold in den Köpfen"

Interview mit Peter Scherrer, Vize-Generalsekretär des EGB

Der neu gewählte Vize-Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), Peter Scherrer, plädiert im Interview für Investitionen in Bildung und Forschung, erzählt wie der EGB mehr Einfluss haben könnte und spricht über den Wandel durch die Industrie 4.0.

Wie ist es um den Einfluss des EGB in Europa bestellt?
Scherrer: Wir würden uns viel mehr Einfluss wünschen.

Die Anliegen des EGB sind sehr breit gefächert. Nimmt sich der EGB vielleicht zu viel vor?
Scherrer: Es ist vielleicht so, dass vom EGB zu viel erwartet wird, was er aufgrund seiner beschränkten personellen und finanziellen Möglichkeiten gar nicht leisten kann.

Wie lobbyiert der EGB?
Scherrer: Der EGB versucht intensiv mit dem europäischen Parlament und mit den Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen - bis auf die Rechten - zusammenzuarbeiten. Eine weitere Möglichkeit uns am Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene beteiligen zu können ist beim Tripartiten Sozialen Dialog. Da treffen sich Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Vertreter der Kommission und der Ratspräsident. Allerdings müssen wir die Arbeitgeber wieder dazu bringen, Verbindlichkeiten einzugehen.

Kann man den Einfluss des EGB stärken?
Scherrer: Ja. Dazu ist es wichtig, dass die Forderungen, die wir als EGB einbringen und die europäisch durchgesetzt werden sollen auch von den Nationalstaaten unterstützt werden. Wir als EGB sind nur so stark, wie uns unsere Mitglieder und Mitgliedsländer beim Einbringen und Durchsetzen unserer Anliegen unterstützen.

Die europäische Arbeitswelt und die Gesellschaft haben gerade mit vielfältigen, teils riesigen Problemen zu tun –23 Mio Arbeitslose in der EU, Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent in manchen Ländern, Vormarsch prekärer Arbeitsverhältnisse, Angriffe auf Gewerkschafts- und ArbeitnehmerInnenrechte… Sind diese Aufgaben überhaupt noch zu schaffen?
Scherrer: Ich denke sie sind zu schaffen. Dazu müssen wir aber weg von der Sparpolitik, hin zu einer Investitionspolitik kommen. Wir müssen in die Entwicklung nachhaltiger, energiearmer und umweltfreundlicher Produkte investieren. Nur mit solchen Produkten bleiben wir in Europa auch wettbewerbsfähig und das führt auch dazu, dass wir wieder mehr Arbeitsplätze schaffen und auch die Jugendarbeitslosigkeit zurückgeht. Wir müssen auch in funktionierende Verkehrssysteme und in Infrastruktur investieren. Damit ist den zukünftigen Generationen viel mehr geholfen als mit einem Nulldefizit.

Sie kommen aus der deutschen IG-Metall  zuständig für die Europäische Industriepolitik. Das EU-Ziel, den Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt bis 2020 von 15,1 Prozent (2013) auf 20 Prozent zu steigern liegt in weiter Ferne. Der Anteil ist sogar noch weiter gesunken. Ist Europa als Industriestandort noch zu retten?
Scherrer: Gegenwärtig sieht es so aus, dass es Staaten, denen es industriell gut geht, das weiter ausbauen. Jene Staaten die hier bereits abgehängt sind, werden auch nicht gefördert ihre Industrie auszubauen. Wir brauchen eine europäisch abgestimmte Politik, die Länder müssen viel mehr miteinander kooperieren und die industriell Starken müssen den Schwächeren helfen.

Die Entwicklung geht immer weiter in Richtung Industrie 4.0. Welches Arbeitskräfte-Potential steckt darin?
Scherrer: Das ist schwer abzusehen. Wahrscheinlich wird es aber insgesamt weniger Arbeitsplätze geben, es sei denn man definiert Arbeitsplätze anders. Denn die Frage ist wahrscheinlich viel mehr welche Qualität die Arbeitsplätze haben werden und hier sind die Gewerkschaften ganz massiv gefordert. Eines zeichnet sich aber ganz klar ab: Je schlechter ausgebildet, desto schlechter stehen die Chancen auf einen Arbeitsplatz.

Wenn es immer weniger Arbeitsplätze in der Industrie gibt, welche Alternativen hat Europa dann?
Scherrer: Ich denke ganz ohne Industrie wird Europa nicht funktionieren können. Ich glaube auch nicht dass sich die Welt so teilen lässt, dass auf der einen Seite nur produziert wird und auf der anderen Seite nur der dienstleistende Bereich angesiedelt ist. Produkte brauchen immer eine gewisse Nähe zum Konsumenten, die Unternehmen müssen für den Konsumenten auch physisch präsent sein. Entscheidend werden die Rohstoffe sein denke ich. Europa hat das Gold nicht in der Erde, wir haben es in den Köpfen. Würden wir zum Beispiel eine Batterie erfinden, die so groß ist wie ein Smartphone aber damit ein Auto antreiben kann, dann wäre das eine Goldgrube. Wir müssen massiv in Bildung investieren und so im Bereich der Forschung die nachhaltigsten, umweltfreundlichsten und energieeffizientesten Produkte erfinden.

 

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