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Frühjahrslohnrunde 2018
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Oliver Röpke Oliver Röpke ist Leiter des ÖGB-Europabüros in Brüssel.

"Wir brauchen einen langen Atem"

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

Oliver Röpke im Interview über das "Schlachtfeld" Europa.

Glück auf!: "Fleißige" Deutsche wettern gegen "faule" Griechen. In der EU fehlt es derzeit massiv an Solidarität. Ist eine Sozialunion überhaupt noch realistisch?

Röpke: Es geht doch nicht um "Faulheit", sondern darum, dass auch in Griechenland vor allem jene massiv für die Krise zahlen, die sie am wenigsten verursacht haben: Die ArbeitnehmerInnen und sozial Schwachen. Denen soll jetzt auch noch der Mindestlohn von etwas über 700 Euro brutto gestrichen werden, fordert die "Troika" aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Nicht "die Griechen" werden gerettet, sondern ein außer Kontrolle geratener Finanzsektor. Die ArbeitnehmerInnen in der EU dürfen sich aber nicht gegeneinander ausspielen lassen. Die Finanzmärkte haben die EU zunächst in eine tiefe Wirtschafts- und Sozialkrise gestoßen. Und jetzt werden auch noch die Bemühungen der letzten Jahre für eine europäische Sozialunion zunichte gemacht.

Die Krisen eignen sich hervorragend als Vorwand für Sparpakete und Einschnitte im Arbeitsrecht. Wie viel Krise steckt wirklich hinter diesen Maßnahmen?

Röpke: Die derzeitige politische Neuausrichtung der EU schreitet in enormer Geschwindigkeit voran. Die konservativ-liberal dominierte EU-Kommission schwächelt zwar bei der Regulierung der Finanzmärkte, aber sie baut die EU konsequent in eine neoliberale Wettbewerbsunion um. Durch eine EU-Wirtschaftsregierung sollen Kosten und Löhne dauerhaft niedrig gehalten werden, die Beschäftigten sollen in einem Wettbewerb um die niedrigsten Löhne gegeneinander konkurrieren. Die Krise wird in der EU dazu missbraucht, massive soziale Einschnitte und weitere Deregulierungen auf den Arbeitsmärkten durchzusetzen. Mit den Ursachen der Krise hat das wenig bis gar nichts zu tun. Dafür wird jetzt der neoliberale Wunschzettel der europäischen Arbeitgeberverbände verwirklicht.  

Europäische ArbeitnehmerInnen haben auch eine Vertrauenskrise gegenüber der EU. Warum wollen Gewerkschaften dennoch die Europäische Gemeinschaft stärken?

Röpke: Den derzeitigen politischen Kurs der EU sollten wir keinesfalls stärken, sondern konsequent bekämpfen. Wir sollten uns aber nichts vormachen: Mit rein nationalen Lösungen werden wir gegen die Übermacht international agierender Finanzmärkte nichts mehr ausrichten können. Deshalb müssen sich die Gewerkschaften in der EU noch viel lauter einmischen und gemeinsam mit dem Europäischen Parlament stärker für ein anderes Europa kämpfen. Nicht für das Europa von Merkel und Sarkozy, sondern für ein sozial starkes Europa, das auf guten Arbeitsbedingungen, Wachstum und Beschäftigung basiert.

Die Protestkultur der Beschäftigten hat sich verändert. ArbeitnehmerInnen steigen in ganz Europa wieder vermehrt auf die Barrikaden. Eine Chance für mehr Mitbestimmung?

Röpke: Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat sich in den letzten Jahren konsequent gegen den Abbau von sozialen Rechten in Europa eingesetzt. Bei vielen Demonstrationen waren die Gewerkschaften ganz an der Spitze, oft auch wir ÖsterreicherInnen, zum Beispiel im April in Budapest. Diesen Kurs müssen wir weiterverfolgen. Denn mehr Mitsprache bekommen wir nur, wenn die Politiker in Brüssel die Unzufriedenheit der ArbeitnehmerInnen auch wirklich wahrnehmen. Trotz aller Proteste wundere ich mich, dass es in Ländern wie Spanien immer noch vergleichsweise ruhig ist. "Die Märkte" warnen zwar hysterisch vor einer "Schuldenkrise", dabei sitzen viele Länder auf einem sozialen Pulverfass. Eine Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent wie in Spanien ist eine Bankrotterklärung der europäischen Politik. Hier müsste sich die EU-Kommission massiv für die jungen Menschen einsetzen, statt sich in die Löhne und Lohnstückkosten in den Mitgliedstaaten einzumischen.

 Auf internationaler und europäischer Ebene zeigen Gewerkschaften Zusammenhalt durch Fusionen. Wo siehst du derzeit die größten Herausforderungen für europäische Gewerkschaften?

Röpke: Es wird wichtig sein, in Zukunft noch stärker auf Bündnisse mit politischen Partnern zu setzen, um die Interessen der ArbeitnehmerInnen auch in der EU effektiv durchzusetzen. Dazu gehören NGO´s, politische Parteien, aber auch eine starke Vernetzung mit anderen Protestbewegungen und sozialen Gruppen. Die europäischen Gewerkschaften und der EGB müssen noch professioneller für ihre Interessen in Brüssel kämpfen. Die österreichischen Gewerkschaften und der ÖGB sind hier schon weiter als manch andere in Europa, doch wir brauchen starke Gewerkschaften aus allen Mitgliedstaaten, um gemeinsam stark aufzutreten. EU-Politik ist letztlich Innenpolitik, denn eine neoliberale EU-Wirtschaftsregierung wird sich direkt auf die ArbeitnehmerInnen auswirken. Wir werden einen langen Atem brauchen, um hier einen politischen Kurswechsel zu erzwingen.

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