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Frühjahrslohnrunde 2018
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"Das Schlimmste wäre nichts zu tun!"

Interview

Michaela Königshofer zu globalen Arbeitsbedingungen.

Mag.a Michaela Königshofer ist Mitarbeiterin der Südwind-Agentur und seit 2006 nationale und internationale Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne. Die Südwind-Agentur arbeitet Alternativen für nachhaltige und menschengerechte Lebens- und Wirtschaftsformen aus. Die Clean Clothes Kampagne (CCK) setzt sich als Teil von Südwind für Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelindustrie ein.

Glück auf!:
 Rohstoffe wie Kaffee, Baumwolle, Tee oder Kakao für den Westen werden zum Großteil aus armen Ländern bezogen. Wie sind die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten dort?

Königshofer: Die KleinproduzentInnen in Afrika, Lateinamerika und Asien erhalten nur einen kleinen Teil des Preises, den wir für eine Tasse Kaffee bezahlen. Ein Großteil des Geldes geht an Zwischenhändler und Kaffeemarkenunternehmen. Ähnlich ergeht es den BaumwollpfückerInnen in Mali, Tschad, Benin oder Burkina Faso. Die Arbeitsbedingungen sind hart und durch mangelnden Schutz vor Pestiziden gesundheitsgefährdend, die Entlohnung bleibt miserabel. 

Glück auf!: Immer mehr Unternehmen rühmen sich im Rahmen von CSR* soziale Verantwortung zu übernehmen. Wie sozial sind Unternehmen wirklich?

Königshofer: Es gibt viele Unternehmen, die einzelne Projekte wie Schulen, Krankenhäuser oder Kinderheime in benachteiligten Regionen dieser Welt fördern. Spenden für Einrichtungen dieser Art sind zwar sehr wichtig, aber haben meiner Meinung nach wenig mit CSR zu tun. Mir scheint es viel dringlicher, dass Unternehmen dem Menschenrecht eines angemessenen Arbeitsentgeltes nachkommen und sichere und gesunde Arbeitsbedingungen gewährleisten. So hilft es beispielsweise den bangladeschischen Näherinnen, die sich keine Medikamente leisten können, wenig, wenn ihr Auftraggeber die Preise drückt aber ein Kinderheim in Indien unterstützt. Ein zusätzliches Problem bei dem Konzept von CSR ist die Freiwilligkeit. Aus meiner Sicht brauchen wir rechtlich verbindliche Standards. Es sollte sich kein Unternehmen aussuchen können, ob es unter der Berücksichtigung der Menschenrechte wirtschaftet oder nicht.

Glück auf!: Warum profitieren die Menschen von der Einbindung in eine Initiative wie FAIRTRADE oder ähnlichem?

Königshofer: Der Vorteil für FAIRTRADE-ProduzentInnen sind faire Preise für ihre Produkte und Sozialprämien, wobei die Betroffenen selbst entscheiden, welche Projekte sie mit diesem Geld umgesetzt sehen wollen. 

Glück auf!: Wie gelingt es euch, Konzerne von einer Zusammenarbeit mit euch zu überzeugen? Wie ist das Verhältnis zu Unternehmen, die mit euch kooperieren und jenen, die eine Zusammenarbeit ablehnen?

Königshofer: Das Verhältnis ist manchmal besser manchmal schlechter und manchmal ganz schlecht. Es ist sehr unterschiedlich wie Unternehmen auf die Anklage von sozialen Missständen reagieren.

Glück auf!: An welchen/m Schwerpunkt(en) arbeitet Südwind bzw. die Clean-Clothes-Kampagne derzeit?

Königshofer: Bei Südwind laufen im Moment Kampagnen zu sozialen Menschenrechten mit dem Schwerpunkt auf Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs-, Spielzeug-, und IT- Industrie. 

Glück auf! In Österreich gehen oft Arbeitsplätze verloren, weil woanders billiger produziert werden kann. In diesen Ländern sind aber die Arbeitsbedingungen meist schlecht. Wie siehst du in dem Zusammenhang die Rolle der Gewerkschaften?

Königshofer: Wenn wir uns hier in Österreich für gute Arbeitsbedingungen weltweit einsetzen, dann auch deswegen, weil das die einzige Möglichkeit ist, gute Arbeitsbedingungen hier in Österreich zu halten. Durch die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und durch einen Machtausgleich zwischen ArbeitnehmerInnen und Unternehmen können in Kambodscha, El Salvador, Bangladesch gleich wie in Österreich menschwürdige Arbeitplätze geschaffen bzw. erhalten werden. In einer Welt, die wesentlich von transnationalen Unternehmen mitbestimmt wird, ist ein verstärktes internationales Auftreten der Gewerkschaften unausweichlich, wenn wir auch in Österreich weiterhin gute Arbeitsplätze haben möchten. 

Glück auf!: "Was kann ich allein schon ändern?" Viele KonsumentInnen glauben nicht daran, selbst etwas zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen zu können. Was kann der einzelne Konsument/die einzelne Konsumentin wirklich tun?

Königshofer: Das Schlimmste wäre nichts zu tun! Einer der "Klassiker" der direkten Einmischungen von KonsumentInnen in Firmenpolitiken sind beispielsweise die Urgent Actions von Südwind und der Clean Clothes Kampagne. Durch ein weltweites Netz an PartnerInnen werden wir über akute Fälle von Arbeitsrechtsverletzungen in Zulieferbetrieben westlicher Konzerne informiert. Wir informieren KonsumentInnen über den Fall und fordern sie auf, der betreffenden Firma ein Protest-Mail zu schreiben. Mit beachtlichem Erfolg: Etwa ein Drittel der Fälle können so positiv geschlichtet werden.

Glück auf!: Zwei Mal im Monat Fairtrade-Kaffee kaufen und das Gewissen ist beruhigt. Kann ich mich durch den Kauf von fair gehandelten Produkten "frei" kaufen?

Königshofer: Damit kann man/frau sicher nicht die Welt retten, aber es ist ein Anfang.

*CSR heißt auf Englisch "Corporate Social Responsibility" und bezeichnet die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung.

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