topimage
PRO-GE
FrauenJugendBetriebsratPensionistInnen
Frühjahrslohnrunde 2018
Frühjahrslohnrunde 2018
BetriebsrätInnenservice-Logo
Bildungsangebote
ÖGB-Logo
Univ.-Doz. Dr. Jörg Flecker

"Viele Beschäftigte wollen kürzer arbeiten"

Jörg Flecker, Soziologe an der Uni Wien und FORBA-Vorstand, spricht im Interview (Glück-auf! 1/2014) über die österreichische Rekordarbeitslosigkeit, Arbeitszeitverkürzung als Ausweg und die zukünftigen Herausforderungen einer Gewerkschaft.

Soziologe Jörg Flecker über Beschäftigung und Arbeitszeit

Die Arbeitswelt unterliegt vielen Veränderungen. Was wird in Zukunft noch alles auf uns zukommen, müssen wir uns fürchten?
Jörg Flecker: Fürchten sollte man sich nicht. Aber 400.000 Arbeitslose, das ist die höchste Arbeitslosigkeit seit 1953, sind sehr wohl ein enormes Problem. Obwohl man nicht damit rechnet, dass die Quote in nächster Zeit sinken wird, merke ich keine große Aufregung. Ich denke, wenn es in der Beschäftigungspolitik nicht rasch Gegenmaßnahmen gibt, kommen massive Schwierigkeiten auf uns zu. Es betrifft nicht nur jene, die arbeitslos sind, sondern auch alle Beschäftigten, da der Druck in den Betrieben noch größer wird.

Sind im Regierungsprogramm zu wenige konkrete Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit enthalten?
Es finden sich Maßnahmen für das Wirtschaftswachstum, aber um die Arbeitslosigkeit rein durch Wachstum zu senken, bräuchten wir Raten von über vier Prozent. Und die wird es in den nächsten zehn Jahren wohl nicht geben. Es ist also unseriös, zu sagen: Wir kurbeln die Beschäftigung durch Wachstumsmaßnahmen an.

Wie könnte man Beschäftigung also ohne Wachstum schaffen?
Man muss von der Sparpolitik abgehen und auch im öffentlichen Bereich wieder Beschäftigung schaffen. Und die Arbeit muss besser verteilt werden. Wir haben immer mehr die Tendenz, dass jene, die beschäftigt sind, nicht nur sehr intensiv, sondern auch sehr lange arbeiten. Viele wollen auch kürzer arbeiten, was eine Erhebung der Statistik Austria zeigt. Danach wollen 28 Prozent der vollzeitbeschäftigten Männer kürzer arbeiten – und das im Durchschnitt um elf Stunden! Die Belastungen haben zugenommen und mit der Ausdehnung der Arbeitszeit wird das noch schlimmer. Das ist ein vollkommen verrückter Zustand: Die einen arbeiten sich krank, die anderen werden krank, weil sie arbeitslos sind, und man verteilt die Arbeit nicht um. Da sind auch die Gewerkschaften gefordert, in der Frage der Arbeitszeitverkürzung viel hartnäckiger zu sein.

Was sagen Sie zum Argument, dass in Zeiten der Krise eine Arbeitszeitverkürzung zu teuer sei?
Das Modell der Kurzarbeit wurde auch in der Krise angewandt, und das sehr erfolgreich. Jetzt haben wir auch eine Krise – nämlich die hohe Arbeitslosigkeit. Da stellt sich schon die Frage: Warum macht man jetzt keine Kurzarbeit?

Die Arbeitgeber fordern immer wieder mehr Flexibilisierung. Wie beurteilen Sie diese Forderung?
Hier geht es in Wirklichkeit um den Versuch, die Lohnkosten zu senken. Die Flexibilität in Österreich ist ja hoch, aber natürlich hat sie ihren Preis.

Das heißt, Sie sehen den Arbeitsmarkt als flexibel genug?
Im internationalen Vergleich, ja. Denn Flexibilität heißt: Wie stark ist der Beschäftigungsschutz, wie leicht sind Kündigungen. Und da liegt Österreich im Mittelfeld. Kündigungen sind in Österreich nicht besonders schwer oder teuer. Was die Flexibilität bei der Arbeitszeit angeht, hat man in Österreich zu wenig Überblick. Die Regelungen gelten ja oft nur in einzelnen Branchen oder Betrieben. Es soll dazu aber bald eine Studie geben.

Die Regierung will die Menschen länger in Beschäftigung halten. Ein Bonus-Malus-System soll dazu beitragen. Halten Sie das für ausreichend?
Es ist sicher ein richtiger Schritt, denn so werden Anreize geschaffen, um ältere ArbeitnehmerInnen weiter zu beschäftigen oder einzustellen. Allerdings muss man erst abwarten, ob der Bonus oder die Strafen Anreiz genug sind, um wirksam zu sein. Auf der anderen Seite darf auch nicht vergessen werden, dass die Leute gesund bleiben müssen, um überhaupt so lange arbeiten zu können.

Was kann man da machen – besonders in Berufen, von denen man weiß, dass sie nicht so lange ausgeführt werden können?
Man muss die Arbeit so gestalten, dass man sie bis 65 leisten kann. Da spielt die kürzere Arbeitszeit eine Rolle, aber auch durch Veränderungen der Arbeitsplätze, durch regelmäßigen Arbeitsplatzwechsel oder durch Mischarbeit kann man in denjenigen Berufen Abwechslung schaffen, von denen man weiß, dass sie auf Dauer nicht gesund sind. In solchen Berufen brauchen die Leute Unterstützung, Beratung und Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir entwickeln gerade eine „Berufswanderkarte“, die diesen Menschen ihre Alternativen am Arbeitsmarkt aufzeigt, anstatt sie mit ihren Sorgen allein zu lassen.

Was sind in Zukunft die großen Herausforderungen für eine Gewerkschaft?
Ich denke, das sind die Themen Arbeitslosigkeit, Arbeitszeitverkürzung, Gesundheitssicherung. Und natürlich die Verteilungsfrage, da ja die größere Ungleichheit zu den heutigen wirtschaftlichen und sozialen Problemen geführt hat.

Artikel weiterempfehlen

Teilen |
Logo der Gewerkschaft PRO-GE
Suche
GO
Wien Niederösterreich Burgenland Steiermark Kärnten Oberösterreich Salzburg Tirol Vorarlberg
Facebook YouTube Flickr Issuu

© 2009, Gewerkschaft PRO-GEImpressum | Inhalt