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Mag. Dr. Stephan Schulmeister Mag. Dr. Stephan Schulmeister im Interview für die "Glück auf!".
Mag. Dr. Stephan Schulmeister Arbeitszeitverkürzung ist ein guter Deal für Österreich.
Mag. Dr. Stephan Schulmeister Die Finanzmärkte müssen reguliert werden.

Ein Appell zur Einsicht

Stephan Schulmeister zu Arbeitszeiten, Pensionen und das Ende der Krise.

Mag. Dr. Stephan Schulmeister wurde 1947 geboren und ist Wirtschaftsforscher am Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien, Vortragender an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Donauuniversität Krems. Seine Forschungsgebiete sind unter anderem die Handelspraktiken auf Finanzmärkten und die Instabilität der Finanzwirtschaft und die Konsequenzen für die Realwirtschaft.

Sie schlagen in Ihrem Buch einen "New Deal" - ein neues Abkommen - für Europa vor. Ein Teil des New Deals in den USA der 30er Jahre war Arbeitszeitverkürzung. Ist das auch ein guter Deal für Österreich?
SCHULMEISTER: Nicht nur für Österreich, sondern allgemein für die Industrieländer. Nach Jahrzehnten des technischen Fortschritts und entsprechender Steigerung der Produktivität haben wir keine innovativen Arbeitszeit-Modelle entwickelt. In erster Linie haben wir auf unzureichendes Wachstum "normaler" Jobs  mit der Schaffung atypischer Beschäftigung reagiert. Das ist auch politisch eine sehr unsolidarische Lösung. Es gibt so eine Gruppe mit guten Arbeitsplätzen und viele kleinere Gruppen mit schlechten Arbeitsplätzen, wie Leiharbeiter, freie Dienstnehmer usw. Gerade in der Metallbranche geht der technologische Fortschritt immer weiter. Immer weniger Arbeitsstunden werden für dasselbe Produkt benötigt. Eine Lösung wäre daher, einen Teil des technischen Fortschritts nicht durch Realeinkommen, sondern langfristig mit mehr Freizeit abzugelten.

Wie könnte eine solche Arbeitszeitverkürzung aussehen?
SCHULMEISTER: Die Lebensarbeitszeit sollte langfristig verkürzt werden, indem die Menschen auf eine sehr flexible Weise Auszeiten nehmen. Diese Zeit können sie für Weiterbildungen, Auslandsreisen, Unternehmensgründungen etc. verwenden. Das wäre eine innovative Entlastung des Arbeitsmarktes und würde die Schaffung von Jobs bedeuten. Langfristig ist für mich durchaus eine Welt denkbar, in der jeder im Durchschnitt nur mehr 30 Stunden pro Woche arbeitet. Dass sozusagen weniger Wachstum für mehr Lebensqualität getauscht wird. Man hat dann zwar nicht jedes Jahr um so viel mehr, was aber nicht unbedingt notwendig ist, wenn ein gewisser Wohlstand erreicht ist. Allerdings muss es bei einer langfristigen Verkürzung der Lebensarbeitszeit zu einem Lohnausgleich kommen, der die unterschiedlichen Einkommenssituationen - besonders im Niedriglohnbereich - berücksichtigt.

Was halten Sie von dem Vorschlag, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen?
SCHULMEISTER: Das in der jetzigen Situation kurzfristig zu tun wäre absolut unsinnig. Denn das Pensionsantrittsalter kann ja nur sinnvoll hinauf gesetzt werden, wenn Arbeitsplätze für ältere Menschen überhaupt da sind. Nur das Rentenalter hinaufzusetzen würde nicht funktionieren. Um so komplexe Probleme zu lösen muss an mehreren Schrauben gedreht werden. Die Faktoren technischer Fortschritt, steigende Lebenserwartung und das Ziel, dass alle einen voll sozialversicherten Job haben, müssen gemeinsam berücksichtigt werden. Länger zu arbeiten halte ich zwar langfristig für erwägenswert, das kann aber trotzdem mit einer kürzeren Lebensarbeitszeit verbunden werden.

In Ihrem neuen Buch sprechen sie davon, dass wir das Schlimmste der Krise noch vor uns haben. Was erwartet uns noch?
SCHULMEISTER: Ich glaube die Krise ist eine Krise des Systems, das wir in den letzten 35 Jahren etabliert haben. Ich denke diese Wirtschaftsordnung wird zusammenbrechen, da eine Wirtschaft die sich an dem Grundsatz "Lass dein Geld arbeiten" orientiert, nicht funktionieren kann. Nach der Krise wurde reagiert wie in den 1930er Jahren - Unsummen an Geld wurden in die Realwirtschaft gepumpt. Heute hätte man aber die Finanzmärkte durchleuchten und regulieren müssen. Aber nach kurzer Zeit ging alles weiter wie vorher. Wenn 27 EU-Staaten gleichzeitig sparen und kein Geld mehr ausgeben, kann das nur schlecht ausgehen. Ich glaube, dass sich die Wirtschaft nächstes Jahr wieder verschlechtern und die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird. Die Frage ist, wie dann die Ökonomen und Politiker reagieren und ob ein Umdenken stattfindet.

Welche Maßnahmen halten Sie für sinnvoll. um die Krise endgültig zu überwinden?
SCHULMEISTER: Um sie endgültig zu überwinden bräuchte es einen Systemwechsel. Ich sehe hier Analogien zur Krise in den 1930ern. Die soziale Marktwirtschaft der 1950er und 1960er Jahre war auch eine "neue Welt" und brachte Vollbeschäftigung, den Ausbau des Sozialstaates, sinkende Staatsverschuldung und enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Gewerkschaften. Damals wurden Gewinne in die Realwirtschaft investiert. Das würde ich mir auch heute wünschen. Die Finanzmärkte müssen reguliert und in die Schaffung realer Werte muss investiert werden. Das Wirtschaftswachstum heute sollte durch Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen erreicht werden. Aber das geht natürlich nicht ohne staatliche Investitionen.

Welche neuen Steuern halten Sie für eine Budgetkonsolidierung für sinnvoll und warum?
SCHULMEISTER: Grundsätzlich muss man die Finanzen des Staates so verbessern, dass nicht gleichzeitig das Wirtschaftswachstum gedämpft wird. Und das geht nur dort, wo die Menschen nicht mit einer Einschränkung des Konsums reagieren. Kürzt man beispielsweise das Pflegegeld, reagiert der Betroffene sofort mit Konsumeinschränkung. Steuern, die den Konsum nicht nennenswert einschränken, wären zum Beispiel Vermögenssteuern, ein Solidarbeitrag auf Wertpapierdepots oder die Erbschaftssteuer. Eine rein ausgabenseitige Budgetkonsolidierung wäre sozial ungerecht. Denn von den Ausgaben des Staates profitieren ja nicht in erster Linie die Reichsten der Gesellschaft. Deshalb mein Appell zur Einsicht: "Liebe reiche Leute, ihr seid auch Teil des Systems und jeder soll nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag leisten." Und reiche Leute haben sicher bessere Möglichkeiten als Arbeitslose.

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