topimage
PRO-GE
FrauenJugendBetriebsratPensionistInnen
Frühjahrslohnrunde 2018
Frühjahrslohnrunde 2018

Freihandel: Briten befürchten "race to the bottom"

Interview mit Spitzengewerkschafter

Reform des Streikrechts: GB-Gewerkschaften unter Druck

Am 21. Und 22. September lädt die PRO-GE gemeinsam mit dem Bündnis TTIP Stoppen zur Podiumsdiskussion und zur großen Alternativen-Konferenz über die geplanten Freihandelsabkommen. Auch Tony Burke, Stellvertretender Generalsekretär von "Unite the Union", der größten britischen Gewerkschaft, ist geladen. Die PRO-GE hat ihn vorab über die Sicht der britischen Gewerkschaften zu TTIP und zur Verschärfung des Streikrechts in Großbritannien befragt. 

Unite wird an der TTIP-Konferenz “Anders Handeln” im September in Wien dabei sein. In Österreich ist die Öffentlichkeit äußerst kritisch zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA eingestellt. Wie ist die Haltung der Gewerkschaftsbewegung in Großbritannien?
Tony Burke: Die Gewerkschaftsbewegung in Großbritannien ist im Gegensatz zu unserem konservativen Premierminister eindeutig gegen die geplanten „Deals“. Bei den Verhandlungen zwischen der EU und der USA um das Transnationale Investitions- und Freihandelsabkommen TTIP geht es nicht nur um Warenhandel, sondern auch um Zugang von Privatinvestoren zu öffentlichen Dienstleistungen.

Für uns bedeutet das staatliche britische Gesundheitssystem NHS eine wichtige soziale Errungenschaft, die durch TTIP bedroht wäre. Denn Privatisierungen, wie zum Beispiel von Krankenhäusern oder anderen Pflegeeinrichtungen, könnten dann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dazu kommen die Sonderklagerechte durch die ISDS-Bestimmungen, die es Konzernen ermöglichen, Regierungen vor private Gerichte zu zerren und teuren Schadenersatz zu fordern.

Fürchtet Unite Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen?
Wir verlangen, dass ein „race to the bottom“, ein regelrechter Unterbietungswettbewerb bei Lohn- und Arbeitsstandards durch TTIP und CETA verhindert wird, in dem USA und Kanada verpflichtet werden, grundlegende ILO-Konventionen zu Gewerkschaftsrechten, Kollektivvertragsverhandlungen, Streikrecht etc. zu ratifizieren.

Die PRO-GE hat sich aus den von dir erwähnten Bedenken dem Bündnis TTIP-Stoppen angeschlossen, um hier gemeinsam Widerstand gegen TTIP und CETA zu leisten. Wen habt ihr als Bündnispartner?
Die Gewerkschaft Unite, aber auch der britische Gewerkschaftsverband TUC sind in einer transatlantischen Gewerkschaftsallianz mit den US-amerikanischen Industriegewerkschaften USW und anderen Mitgliedsorganisationen des US-Dachverbands AFL-CIO. Unite ist nicht nur wegen TTIP und CETA alarmiert, sondern auch durch die Verhandlung von TiSA, das von der EU-Kommission mit den USA und 23 weiteren Staaten zur vollständigen Liberalisierung des Dienstleistungshandels führt. Damit wären sämtliche Dienstleistungen- vom Finanz-, Kommunikationssektor, bis hin zu den industriellen Dienstleistungen erfasst.

Du hast die Bedrohung grundlegender Arbeitnehmerrechte durch TTIP und CETA angesprochen. Aber auch die wiedergewählte konservative Regierung in Großbritannien hat neue Gesetzesvorschläge, die Arbeitnehmerrechte schwächen. Ex-Premierminister Tony Blair hat das britische Arbeitsrecht einmal als das restriktivste für Gewerkschaften in Westeuropa“ bezeichnet. Was soll denn noch verschärft werden?
Die Regierung möchte das britische Arbeitsrecht bzw. vor allem das Streikrecht reformieren und angeblich demokratischer gestalten. Dies betrifft vor allem Arbeitskampfmaßnahmen im öffentlichen Bereich. Das neue Gesetz verlangt eine Urabstimmungsbeteiligung von mindestens fünfzig Prozent der ArbeiterInnen und Angestellten, bevor ein Streik ausgerufen werden darf. In sensiblen öffentlichen Branchen wie Gesundheit und Transport müssen mindestens vierzig Prozent der wahlberechtigten Gewerkschaftsmitglieder mit Ja gestimmt haben.

Wie sollen diese Streik-Abstimmungen gemacht werden?
Das Gesetz sieht eine Briefwahl vor. Ein teures und zeitaufwändiges Verfahren, das vor allem bei SchichtarbeiterInnen nicht gerade eine hohe Beteiligung erwarten lässt. Wenn es der Regierung wirklich um demokratische Abstimmung gegangen wäre, dann würde sie Online-Abstimmungen oder direkte geheime Urabstimmungen per Wahlzettel im Betrieb zulassen.

Was noch schlimmer ist, Arbeitgebern wird das Recht zugestanden, Leiharbeiter während eines Arbeitskampfes einzustellen, um Streikende zu ersetzen. Wir haben kein Problem mit Streiks in Großbritannien. Gerade einmal 3 Prozent der 28 Millionen Arbeitsstunden gingen im vergangenen Jahr durch Streiks auf. Die Reformen der Regierung sind rein politisch, das zeigt sich auch in ihrem Vorschlag, den Zugang von Gewerkschaften zu Fonds für politische Kampagnen zu beschränken.

Wie sieht Unite die angekündigte Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens?
Das Referendum über einen EU-Austritt des Königreiches sehen wir kritisch, denn das würde für uns Gewerkschaften bedeuten, das sich unser Land auch aus dem Geltungsbereich von für ArbeitnehmerInnen wichtigen EU-Mindeststandards wie bei der Leiharbeitsrichtlinie und der Arbeitszeitrichtlinie entfernen will.


Unite ist im Mai 2007 aus der Fusion der ehemals zweit- und drittgrößten Gewerkschaften Amicus und T&G hervorgegangen. Sie vertritt über 1,4 Millionen Mitglieder, die in fast allen Branchen tätig sind. Obwohl in der Privatwirtschaft stärker vertreten, hat sie aber auch mindestens 200.000 Mitglieder im öffentlichen Dienst. Tony Burke ist vor allem für den Produktionsbereich, einschließlich Schiffsbauindustrie, Luftfahrt, Chemische Industrie, Stahl-, Metallindustrie, der Autoindustrie, der Elektronikindustrie, der Papier- und Druckindustrie, der Erdölindustrie etc. verantwortlich. Darüber hinaus ist Burke auch Mitglied des Vorstandes des britischen Dachverbands TUC.

Artikel weiterempfehlen

Teilen |
Logo der Gewerkschaft PRO-GE
Suche
GO
Wien Niederösterreich Burgenland Steiermark Kärnten Oberösterreich Salzburg Tirol Vorarlberg
Facebook YouTube Flickr Issuu

© 2009, Gewerkschaft PRO-GEImpressum | Inhalt